Pressemitteilung

Offener Brief

an den Ortsbeirat Mainz-Ebersheim und die Mainzer Tageszeitungen
Juli 2011

Verhöhnung der Opfer des Faschismus in Mainz-Ebersheim

In unmittelbarer Nähe zu einem Denkmal für Wehrmachtssoldaten soll ein Denkmal für die Ebersheimer Opfer des Faschismus errichtet werden.

An den Ortsbeirat Mainz-Ebersheim:
Sehr geehrte Damen und Herren,

Wir, die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten, begrüßen grundsätzlich die Errichtung eines Denkmals für die Opfer des Faschismus, welche der Ortsbeirat in seiner Sitzung am 31.03.2011 beschlossen hat. Allerdings sehen wir das jetzige Vorhaben mit Besorgnis.

Wir müssen verwundert zur Kenntnis nehmen, dass in Ebersheim die Opfer erst wahrgenommen werden, nachdem es bei der Einweihung eines restaurierten Mahnmals für Wehrmachtssoldaten, auf dem auch ein SS-Mann mit sichtbarem SS-Dienstrang geehrt wurde, zu einem Eklat kam. Jedoch führte nicht die Ehrung des SS-Mannes zum Eklat, sondern der versuchte Protest dagegen.
Als Folge hieraus beschloss der Ortsbeirat ein Denkmal zu errichten. Es soll laut dem Antrag der Ortsbeiratsfraktionen vom 31.03.2011 (Vorlage Nr. 0671/2011) zur Erinnerung »[..] an die weiteren Opfer des NS-Regimes« dienen.

Wir weisen daraufhin, dass der Opferbegriff klar bestimmt ist. Deutsche Soldaten sind keine Opfer des Faschismus. Ärgerlich wird es, wenn erst nach Jahren auffällt, dass es auch Opfer des Faschismus gab, die sich nicht an Krieg und Vernichtung beteiligt hatten. Vollends inakzeptabel ist es, ein Denkmal für die eigentlichen Opfer des Faschismus direkt neben einem Denkmal für Wehrmachtssoldaten zu errichten. Ein öffentliches Denkmal sollte zuerst der Opfer gedenken und nicht denjenigen, die sich beteiligt haben am Vernichtungskrieg und den Deportationen.

Niemandem soll sein individuelles Recht abgesprochen werden, um seine Angehörigen zu trauern. Wir wenden uns stattdessen gegen die Gleichsetzung zwischen Tätern und Opfern, die hiermit betrieben wird. Es ist völlig inakzeptabel, dass die Angehörigen einer verbrecherischen Organisation in räumliche und inhaltliche Nähe zu Juden, Sinti und Roma und den vielen anderen Verfolgten genannt werden und dass diese auf einer kleinen Tafel Erwähnung finden sollen, mit der offensichtlich beschwichtigt werden soll.

Es ist irritierend, dass in die Planungen für ein neues Denkmal keine Opferverbände einbezogen wurden. Wir fordern Sie deshalb auf, das Konzept für ein neues Denkmal noch einmal zu überarbeiten und schlagen ein besonders hervorgehobenes Denkmal vor. Gleichzeitig bieten wir an, im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung in Mainz-Ebersheim das Gedenken an die Verfolgten und Ermordeten in Erinnerung zu rufen.

Mit freundlichen Grüßen
VVN-BdA Mainz-Bingen


Mainzer Rhein-Zeitung (Online-Ausgabe vom 27.07.2011) | JPEG-Format | 284kB


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